Orient Express Kampagne

Spielbericht – Session 1 (9.1. bis 13.1.1920)

Signora Donatella Francesca
Salvoni Via Piave, 11
30100 Venezia Italia

Frau Louisa Gerlich
The Savoy, Strand London,
WC2R 0EU England

London, Jahr 1921

Liebe Donatella,

Wie geht es Dir so? Hast du Neuigkeiten für mich? Ich hoffe, dir geht es gut und dass du mir bald wieder einmal schreiben wirst. Doch zuerst möchte ich dir von meinem Besuch in London erzählen und wie ich unerwarteterweise in ein Abenteuer geraten bin. 

Wie ich bereits erwähnt habe, weile ich zur Zeit mit meinen Freundinnen Catherine, Mayumi, Luschenka und Luzia in London und besuche hier unseren lieben, alten Freund Professor Julius Arthur Smith. Ein sonderbarer Mann, der die Ausstrahlung eines freundlichen Walrosses aufweist. Wirklich sehr liebenswert. Er widmet sich der Forschung. Seine Spezialgebiete sind Archeologie und europäische Sprachen, was dich sicher auch sehr interessieren würde. Vielleicht habe ich ja mal die Gelegenheit, dich ihm vorzustellen. Aber ich schweife ab. Der Professor hat uns in der Vergangenheit schon bei schwierigen Übersetzungen geholfen. Und seit seine Frau im Jahr 1919 gestorben ist, freut er sich umso mehr, wenn wir ihn ab zu besuchen. Immerhin hat er in seinem Butler Charles Beddows einen guten Freund und Assistenten. 

Der Professor interessiert sich in letzter Zeit vermehrt auch für das Gebiet Parapsychologie. Er wurde aus diesem Grund zu einer Vortragsreihe eingeladen. Natürlich weilten wir seinem Vortrag bei. In diesem ging es um Erscheinungen. Wirklich sehr interessant. Natürlich betonte er, dass hinter den Phänomenen vielmals Scharlatane stehen. Das Ansehen sei diesen Leuten wichtig, nicht das Geld. Es gibt aber auch immer wieder interessante Erscheinungen wie z.B. Poltergeister und Reisende. Du fragst dich sicher, was Reisende sind. Nun, Professor Smith erklärte es mit Gegenständen, die immer wieder auftauchen. Sei es an verschiedenen Orten oder zu verschiedenen Zeiten. Als Beispiele nannte er ein bretonisches Fischerboot, eine engl. Droschke und eine norwegische Frau. Zwangläufig lief mir ein kalter Schauer den Rücken hinab, als er von diesen Erscheinungen erzählte, wie sie zum Teil halbtransparent blieben. Du hättest dich über mein Verhalten sicher köstlich amüsiert. Der Professor schien von den Erscheinungen überzeugt. Es seien einfach Dinge, die man nach den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen noch nicht erklären könne. 

Nach diesem Abend kehrten wir müde in unser Hotel zurück. Als wir dann am Morgen beim Frühstück sassen und die Zeitung lasen, für mich ein unverzichtbares Ritual, fiel uns besonders ein Artikel ins Auge „Mann stirbt dreimal in der Nacht“. Sehr sonderbar. Darum muss ich dir davon erzählen. Ausserdem hat mit diesem Artikel sozusagen unser Abenteuer begonnen. Vielleicht hast du ja zufälligerweise auch davon gehört. Nun, in dem Artikel ging es um drei Morde, die in einem Londoner Hotel begangen worden sind. In jedem der drei Fälle hiess der Ermordete Mr. Mehmet Makryat, ein Kunst- und Antiquitätenhändler. Alle drei hatten einen türkischen Pass auf sich und wurden als ein und dieselbe Person identifiziert, Mr. Makryat. Komischerweise ist der „richtige“ Mr. Makryat, soweit die Nachbarn in jedenfalls beschreiben, nicht unter den Ermordeten und es fehlt jede Spur von ihm.

Am Tag haben wir dann tolle Ausflüge in London gemacht. Museen, ein Gang an der Themse und viele weitere Sachen standen auf dem Programm. Am Abend konnte ich mich kaum noch auf den Beinen halten. Wir hatten etliche Kilometer zurückgelegt. Ich als Dozentin bin das nicht mehr gewohnt. Somit freute ich mich schon auf mein Bett. Aus diesem Wunsch wurde leider aber nicht Wirklichkeit. Kaum im Zimmer angelangt, wurde uns auch schon eine Visitenkarte von Professor Smith ausgehändigt. Auf der Rückseite war geschrieben, dass wir doch schnell in ein Haus auf der Cheap Side kommen sollten. Natürlich sind wir der Bitte nachgekommen und nahmen auf der Stelle eine Droschke. 

Du kannst Dir vorstellen, dass uns bei der Sache nicht ganz wohl war. Die Gegend zählt ja nicht gerade zu den reichsten Teilen von London. Glücklicherweise kamen wir unbeschadet am besagten Haus an. An der Türe Nr. 36 angelangt, öffnete uns Beddows die Türe. Prof. Smith, der im Bett lag, bot uns einen grauenhaften Anblick. Sein ganzes Gesicht war verbrannt und es stank schrecklich. Überall hatte er Brandblasen. Er erzählte uns mit schwacher Stimme, dass sie von wahnsinnigen Türken ins seinem Haus überfallen worden seien. Diese hätten das Haus in Brand gesteckt. Nur mit Müh und Not konnte er sich retten. Die Türken seien auf der Suche nach einer Statue gewesen. Er sei auf der Spur dieser Statue gewesen. Da das Finden dieser sehr wichtig sei, hat er uns mit der weiteren Suche beauftragt. Bei seinem Zustand konnten wir ihm diese Bitte natürlich nicht abschlagen. 

Vielleicht kannst du uns ja auch weiterhelfen. Was Kunstgegenstände angelangt, bist du ja eine Expertin. Der Professor hat uns erzählt, dass es sich um die Statue von Sedefkar Simulakrum  handelt. Magische und böse Eigenschaften werden ihr nachgesagt. Darum sei es auch wichtig, dass wir sie vor anderen Leuten fänden und diese vernichten müssen, bevor sie in falsche Hände gerät. Ende des 18. Jhdt. wurde die Statue in einzelne Stücke zerlegt und über Europa verstreut. Auch gab es einen Überfall von Türken und alle Aufzeichnungen der Statue wurden zerstört. Die Statue selber wurde in Paris zerlegt. Sie gehörte einem gewissen Comte Fenalik. Vermutlich besitzt dieser auch noch ein Stück oder seine Nachfahren. Ein Teil brachte man nach Venedig zu einem gewissen Alvire de Gremanci. Dies könnte für dich interessant sein. Es wäre sehr nett, wenn du Erkundigungen über diese Person anstellen könntest. Wir werden den Orient Express nehmen und eine Station ist auch Venedig. Ich werde dich dann zu gegebener Zeit kontaktieren. Ein weiterer Teil wurde nach Triest gebracht. Wir sollen dort im Museum nach einem Johann Winckelmann fragen. Ein anderer Teil der Statue wurde nach Serbien transportiert; vermutlich nach Belgrad. Der Museumsleiter Milovan Todorovic sollte uns weiterhelfen können. Ein Teil, das zuerst noch in Paris war, wurde nach Mailand verkauft. Zum Schluss ist ein Teil um 1875 beim Aufstand in Bulgarien verschwunden und wurde schätzungsweise in Sofia im Boden vergraben. Dieses Teil zu finden, wird sicher am schwierigsten werden. Wir werden sehen!

Der Professor erzählte uns weiter, dass wir die vollständige Statue an ihren Ursprungsort zurückbringen sollten. Rate mal wohin? Konstantinopel. Ich wollte doch schon immer mal diese tolle Stadt sehen. Wir müssen dort die „gemiedene Moschee“ aufsuchen und in einem bestimmten Ritual die Vernichtung der Statue herbeiführen. Das Ritual soll in Schriften, den Sedefkars, aufgeschrieben sein. Wo diese aber zu finden sind, konnte uns der Professor nicht sagen. Wir sollen in der Moschee nach einem eingelassenen Stein mit einer Vertiefung suchen. Es braucht dieses Ritual um die Statue zu zerstören. Ausserdem ist die Statue etwa so gross wie ein Mensch. Das macht die Sache nicht leichter. Rätsel über Rätsel. Liebe Donatella, du wei§t, wie sehr ich Rätsel liebe. Ach, wärst du doch bei mir. Du wärst mir sicher eine grosse Hilfe. 

Immerhin hat uns der Professor eine Tasche voll Geld (1'000.- Pfund Sterling) hinterlassen. Sozusagen als Startkapital. Wieder zurück in unserem Hotel haben wir es dann auch noch geschafft, einige Stunden zu schlafen. Ich habe nicht einmal mehr meine Kleider ausgezogen. So müde war ich. Und das soll was heissen. 

Am nächsten Tag besorgten Catherine und ich die Tickets für den Orient Express. Dies war viel leichter, als wir gedacht haben. Wie ich mich freue. Die Ausstattung des Zuges solltest du sehen. Luxuriös. Wie es sich für uns geziemt. Unterdessen gingen die anderen zum Laden dieses Kunsthändlers Makryat. Haben dort aber leider nichts gefunden. Niemand hätte ihn gesehen, geschweige denn etwas Sonderbares beobachtet. Nachbarn!!! Nachdem wir uns in unserem Hotel kurz beratschlagt haben, gingen wir danach zum Anwesen von Prof. Smith. Ein Feuerwehrmann hielt dort Wache. Nach anfänglicher Sturheit war dieser sehr kooperativ und hat uns sogar in dem Anwesen herumgeführt. Dort fiel Catherine auch ein Benzinkarnister auf. Scheinbar hatte ihn die Polizei noch nicht entdeckt. Das daran befestigte Taschentuch konnte Catherine unbemerkt entwenden. Auf dem Tuch waren die Initialen Ch.B. eingestickt. Charles Beddows? Natürlich konnten wir uns nicht sicher sein. Aber verdächtig war es schon. Hatte er uns vielleicht alle nur benutzt? Nach dieser Entdeckung mussten wir unbedingt nochmals die Wohnung in der Cheap Side besuchen. Vielleicht war ja der Professor noch dort und wir könnten Beddows zur Rede stellen. 

Doch dort angekommen, öffnete uns eine fremde Frau die Türe. Nach ihrer Aussage ist sie erst heute Morgen eingezogen. Sehr komisch. Vom Professor fehlte leider jede Spur. Das einzige was wir fanden, war ein Stück verbranntes Fleisch. Vielleicht stammte es vom Professor. Oder sein Unfall war nur vorgetäuscht? Du kannst dir vorstellen, dass wir sehr verwirrt waren. Wir wussten überhaupt nichts mehr. Dafür konnte die andere Gruppe eine Menge herausfinden. Der Inspektor, der die drei Mordfälle betreut, war sehr hilfsbereit. Allen drei Leichen wurde ein Teil der Haut (Torso, Bein, Arm) entfernt und alle waren 38 Jahre alt. Der Besitzer des Ladens hingegen war, nach Aussage der Nachbarn, min. 70 Jahre alt. Die drei „Makrayts“ hatten alle zusammen in Paris ein Telegramm erhalten, worin sie gebeten wurden, schnell nach London zu kommen. Mayumi haben wir danach das Fleisch zu weiteren Untersuchungen übergeben. Sie ist ja Expertin darin. Hoffentlich findet sie etwas heraus. 

So, nun bin ich fürs Erste auch schon am Schluss meiner Geschichte angelangt. Doch bevor ich diesen Brief abschicke, muss ich dir noch von meiner grössten Dummheit berichten. Erzähl es ja niemandem. Du weiss ja, wie neugierig wir sind. Und wir mussten ja auch noch an gewisse Informationen herankommen. Das stellte sich als ganz schwierig dar. Darum haben wir beschlossen, in den Laden des Kunsthändlers einzusteigen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten ist uns das auch gelungen. Ein Abenteuer. Leider konnten wir auch dort nicht sehr viel finden. Ausser dem Buch, wo er seine Verkäufe aufschreibt, haben wir nichts gefunden. Ein Eintrag war jedoch sehr interessant. Mr. Makrayt hat eine Modelleisenbahn an einen gewissen Henry Stanley verkauft. Die Bahn stammt aus dem Nachlass von Randolph Alexis. Der wiederum als Teufelsanbeter verschrien war. 

So, nun bin ich aber wirklich am Ende angelangt und du auf dem neusten Stand der Dinge. Ich hoffe, ich habe nichts verwechselt oder vergessen. Und sonst werde ich mich in einem späteren Brief berichtigen. Hoffentlich hast du bezüglich unseres Abenteuers schon bald ein paar Neuigkeiten für mich. Und vielleicht sehen wir uns ja bald in Venedig. Das wäre schön. 

Alles Liebe und pass auf dich auf.

Deine

Louisa

cthulhu.ch